Sächsische Zeitung vom 14./15. März 2020:
Laubegaster kämpfen für Flutschutz
Die Bürgerinitiative wird schon seit Jahren
vertröstet. Gibt es dennoch eine Chance?
Ein Artikel von Peter Hilbert
Versprechen,
Vertröstungen und wieder neue Zusagen. Günter Gießler und Christian
Hoffmann haben viel mit Behörden erlebt – und das seit Jahren. Der
65-jäh-rige Lehrer und der 57-jährige Betriebswirt engagieren sich in der
Laubegaster Bürgerinitiative Viterra-Siedlung, die am Altel-
barm liegt.
Und das aus gutem Grund.
Mit ihren
Familien sind die Beiden in Reihenhäuser der zur Jahrtausendwende
errichteten Siedlung gezogen. Wie in vielen anderen Gebieten Dresdens
wurde auch Häuser und Gärten im Süden von Laubegast von der
Jahrhundertflut 2002 kalt erwischt. Christian Hoffmann weiß noch
genau, wie am
16. August um 6.10 Uhr die Fluten in die Siedlung mit ihren etwa 50
Häusern kamen. Zuflucht fand seine Familie in einer trockengebliebenen
Laubegaster Villa. „Dort haben wir auf Luftmatratzen geschlafen“,
berichtet Hoffmann.
Erst im
Oktober konnte er mit Frau und Tochter wieder ins eigene Haus zurück.
Nicht anders
ging es Günter Gießler. „Ich hätte nie geglaubt, dass Hochwasser so viel
Schaden anrichten kann“, sagt er. So waren erst kurz vor Weihnachten die
gewaltigen Schäden im Untergeschoss seines Hauses beseitigt, sodass es die
Familie mit drei Kindern wieder nutzen konnte.
„Gleich
danach haben wir die Bürgerinitiative gegründet, um für einen Flutschutz
zu kämpfen“, sagt Gießler. Sie wollten auch
konstruktiv
mitarbeiten. Deshalb hatte sich Hoffmann, dessen Stärke schon aus
beruflichen Gründen analytisches Denken
ist,
hingesetzt, auf dem Papier einen möglichen Damm entworfen und den
Vorschlag beim Umweltamt eingereicht.
Seitdem wird
auf einen sicheren Flutschutz für das Gebiet an der Südseite von Laubegast
gedrängt, zu dem auch die angrenzende Siedlung und der Wohnpark Solitude
gehören. 2013 beschloss der Stadtrat einstimmig den Hochwasserschutz für
diesen Teil von Laubegast. Vorgesehen ist ein vorgesehen ist ein etwa 500
Meter langer Schutzwall, der bis zu einen Meter hoch werden soll. Geplant
ist, dass er sich vom Toom-Baumarkt an der Leubener Straße bis zur
Tauernstraße erstreckt. Im Falle einer Flut soll die Lücke in der Leubener
Straße mit mobilen Schutzwänden gesichert werden. Am Baumarkt ist eine
feste Mauer vorgesehen.
Dass dies
dringend nötig ist, wurde bei der Juniflut 2013 deutlich. Da noch kein
Schutzwall stand, griffen die Laubegaster schnell zur
Selbsthilfe. Unterstützt von Kräften der Bundeswehr und der Feuerwehr
errichteten sie auf der künftig vorgesehenen Linie einen Wall aus
Sandsäcken. „Mit Erfolg“, wie Hoffmann berichtet. „Unsere gesamte Siedlung
ist trocken geblieben.“ Umso stärker drängte die Bürgerinitiative darauf,
dass endlich der Flutschutzwall kommt. Sowohl die damalige
Oberbürgermeisterin Helma Orosz als auch Ministerpräsident Stanislaw
Tillich (beide CDU) seien bei der Juniflut vor Ort gewesen. „Sie haben uns
zugesichert, dass sie eine unbürokratische Lösung hinbekommen“, sagt
Gießler. Doch auf die wartet die Bürgerinitiative noch heute.
Bereits 2014
hatte die Stadt mit der sogenannten Planfeststellung den Antrag auf eine
Genehmigung bei der Landesdirektion eingereicht. „Wir hatten in zeitlichen
Abständen immer wieder den Finger in die Wunde gelegt. Doch es hat sich
nicht viel getan“, so Hoffmann. Verärgert ist auch sein Mitstreiter
Gießler, dass sie immer wieder nur mit Versprechungen vertröstet wurden.
In einem Brief hatte OB Orosz zugesichert, dass der Bau des Flutschutzes
2017 beginnt und er 2018 steht. Auch ihr Nachfolger Dirk Hilbert (FDP)
habe ihnen zugesagt, dass er sich kümmern will. „Trotzdem hat sich nichts
getan. Wir glauben unseren Behörden mittlerweile nicht mehr“, resümiert
Hoffmann.
Die Verzögerungen beim Planfeststellungsverfahren begründet
Sprecher Ingolf Ullrich von
der Landesdirektion mit mehreren Ursachen. Die Pläne konnten erst 2016
öffentlich ausgelegt werden, da die Stadt noch erschiedene rechtliche
Fragen klären musste. Beim Erörterungstermin 2017 hatte die Stadt
angekündigt, ein weiteres Gutachten zu Wasserspiegellagen zu erstellen, da
die Wirksamkeit des geplanten Hochwasserschutzes angezweifelt wurde.
Weitere Abstimmungen hätten sich bis November 2018 hingezogen. Da wurde
eine Planänderung eingereicht.
Die Genehmigung ist jetzt in Aussicht.
„Derzeit wird der Planfeststellungsbeschluss erstellt“, erklärt der
Sprecher. Er soll noch dieses Jahr kommen. Die Stadt rechnet noch vor dem
Sommer damit, teilt das Umweltamt mit. „Wir wollen 2021 mit dem Bau
beginnen“, kündigt die Behörde an. Allerdings muss dann noch ein
Fördermittelantrag gestellt werden. Sobald er vorliegt, soll der
Bauauftrag ausgeschrieben werden. Die Kosten beziffert das Umweltamt auf
rund 1,2 Millionen Euro. Die Eigenmittel sind zwar im Haushalt geplant.
Gebaut werden kann aber nur, wenn auch die Fördermittel bestätigt werden.
Flutschutz-Kämpfer Gießler ist jedoch skeptisch. „Wir haben immer wieder
gehört, dass es nur noch eine Frage von Wochen ist.“ Doch geschehen ist
nichts. „So kann es sein, dass wir morgen wieder ein Hochwasser vor der
Tür und noch immer keinen Flutschutz haben.“
|